Sohn Gottes und Sohn Davids

Palmsonntag

Die Frage nach der Dreieinigkeit wird in der Regel als ein theologisches Thema für sich behandelt, meist um sich von anderen abzugrenzen. An diesem Thema wird oft die Rechtgläubigkeit festgemacht, und während man im Brustton der Überzeugung die Argumente vorträgt, übersieht man rasch, wie groß unser Gott und wie klein unser Verstand ist. Spätestens hier wird es nämlich lächerlich. Dabei ist die Frage eingebettet in das größere Thema des Reiches Gottes, denn wer vom Sohn Gottes spricht, muss auch vom Sohn Davids sprechen.

Wessen Sohn ist er?

Das war die Frage, mit der der Herr Jesus die Pharisäer herausforderte: „Als nun die Pharisäer versammelt waren, fragte sie Jesus und sprach: Was denkt ihr von dem Christus? Wessen Sohn ist er? Sie sagten zu ihm: Davids. Er spricht zu ihnen: Wieso nennt ihn denn David im Geist »Herr«, indem er spricht: »Der Herr hat zu meinem Herrn gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße«? Wenn also David ihn Herr nennt, wie kann er dann sein Sohn sein? Und niemand konnte ihm ein Wort erwidern. Auch getraute sich von jenem Tag an niemand mehr, ihn zu fragen.“ (Mat 22,41-45)

Der Herr gab David eine Verheißung: „Wenn deine Tage erfüllt sind und du bei deinen Vätern liegst, so will ich deinen Samen nach dir erwecken, der aus deinem Leib kommen wird, und ich werde sein Königtum befestigen. Der wird meinem Namen ein Haus bauen, und ich werde den Thron seines Königreichs auf ewig befestigen. Ich will sein Vater sein, und er soll mein Sohn sein.“ (1.Sam 7,12-14)

Darum wusste David, dass sein Sohn größer sein würde als er selbst; auch wenn er es wahrscheinlich nicht wirklich verstand. Der Sohn Davids (sein Same) wird der Sohn Gottes sein. Wie buchstäblich ist das zu verstehen? So wörtlich wie irgend möglich! „Ich will den Ratschluss des HERRN verkünden; er hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. (Ps 2,7) Er wird von Gott gezeugt, und er wird von einer Frau geboren: „Und du, Bethlehem-Ephrata, du bist zwar gering unter den Hauptorten von Juda; aber aus dir soll mir hervorkommen, der Herrscher über Israel werden soll, dessen Hervorgehen von Anfang, von den Tagen der Ewigkeit her gewesen ist. Darum gibt er sie hin bis zu der Zeit, da die, welche gebären soll, geboren haben wird; und der Überrest seiner Brüder wird zurückkehren zu den Kindern Israels.“ (Micha 5,1+2)

Ein Sohn entsteht durch Zeugung und Geburt. Der Sohn Gottes wird ebenso gezeugt und geboren – und um jeden Zweifel auszuschließen, wer der Vater ist, muss die Mutter eine Jungfrau sein: „Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird ihm den Namen Immanuel [= Gott mit uns] geben.“ (Jes 7,14) Die erwählte Jungfrau war Maria, die Mutter Jesu: „Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Denn du hast Gnade bei Gott gefunden. Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; und du sollst ihm den Namen Jesus geben. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird regieren über das Haus Jakobs in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“ (Luk 1,30-33)

Damit sind wir wieder bei der Ausgangsfrage des Herrn, wessen Sohn der Messias sein würde. Für einen natürlichen Menschen mit natürlichen Perspektiven ist das nämlich nicht zu verstehen, wie ein und dieselbe Person Sohn Gottes und Sohn Davids sein könne. Davids Sohn ist Jesus durch die leibliche Abstammung über Maria, Gottes Sohn aber durch die Zeugung durch den Heiligen Geist.

Die ewige Existenz des Sohnes Gottes

Der Mensch Jesus hat einen Anfang in der Zeit. Nach Seiner Geburt werden unsere Jahre gezählt. Und doch begann der Sohn Gottes nicht erst mit der Zeugung in Maria und Seiner Menschwerdung. Micha schreibt: „dessen Hervorgehen von Anfang, von den Tagen der Ewigkeit her gewesen ist.“ (Micha 5,1). Johannes schreibt zu Beginn seines Evangeliums über den Herrn Jesus: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott.“ (Joh 1,1-2).

Ich denke, es ist wichtig festzuhalten, dass Johannes nicht schreibt: „Im Anfang war Jesus“, sondern das Wort. Der Name Jesus verweist auf Seine menschliche Existenz, „das Wort“ auf Seine ewige Existenz. „Das Wort“ (gr. Logos) ist dabei ein sehr tiefgründiger Begriff mit vielen Bedeutungsschattierungen: Rede, Darlegung, Erzählung bis hin zu Denkkraft und Vernunft. Es erinnert an die alttestamentliche Weisheit:

„Der Herr besaß mich am Anfang seines Weges, ehe er etwas machte, vor aller Zeit. Ich war eingesetzt von Ewigkeit her, vor dem Anfang, vor den Ursprüngen der Erde. Als noch keine Fluten waren, wurde ich geboren, als die wasserreichen Quellen noch nicht flossen. Ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren. (Spr 8,22-25)

Die Weisheit wurde „geboren“, sie hat ihren Ursprung in Gott, trat aus Gott heraus als Ausdruck Seines Wesens und wirkte an der Schöpfung mit:

„Als er die Erde noch nicht gemacht hatte und die Fluren, die ganze Summe des Erdenstaubes, als er den Himmel gründete, war ich dabei; als er einen Kreis abmaß auf der Oberfläche der Meerestiefe, als er die Wolken droben befestigte und Festigkeit gab den Quellen der Meerestiefe; als er dem Meer seine Schranke setzte, damit die Wasser seinen Befehl nicht überschritten, als er den Grund der Erde legte, da war ich Werkmeister bei ihm, war Tag für Tag seine Wonne und freute mich vor seinem Angesicht allezeit“ (Spr 8,26-30)

Das Neue Testament sagt dasselbe vom Herrn Jesus: „Alles ist durch dasselbe entstanden; und ohne dasselbe ist auch nicht eines entstanden, was entstanden ist.“ (Joh 1,3) und: „ Dieser [Jesus] ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene, der über aller Schöpfung ist. Denn in ihm ist alles erschaffen worden, was im Himmel und was auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, seien es Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: alles ist durch ihn und für ihn geschaffen; und er ist vor allem, und alles hat seinen Bestand in ihm.“ (Kol 1,15-17) und: „Ihn [Jesus] hat er eingesetzt zum Erben von allem, durch ihn hat er auch die Welten geschaffen; dieser ist die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Ausdruck seines Wesens und trägt alle Dinge durch das Wort seiner Kraft.“ (Heb 1,2-3)

Die Weisheit/der Logos hatte zudem von Anfang an eine besondere Nähe zu den Menschen: „ich freute mich auf seinem Erdkreis und hatte meine Wonne an den Menschenkindern.“ (Spr 8,31). Auch darauf nimmt Johannes Bezug, wenn er schreibt: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.“ (Joh 1,4).

Ein besonderes Anliegen der Weisheit/des Logos ist die Unterweisung von uns Menschen: „Und nun, ihr Söhne, hört auf mich! Wohl denen, die meine Wege bewahren! Hört auf Unterweisung, damit ihr weise werdet, und verwerft sie nicht! Wohl dem Menschen, der auf mich hört, indem er täglich an meiner Pforte wacht und die Pfosten meiner Türen hütet! Denn wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen von dem Herrn; wer mich aber verfehlt, tut seiner Seele Gewalt an; alle, die mich hassen, lieben den Tod!“ (Spr 8,32-36) In derselben Weise ist es unmöglich errettet zu werden und das Leben zu finden, wenn man den Logos nicht liebt der sagte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich!“ (Joh 14,6)

Wenn also der Herr Jesus sagt: „Ehe Abraham war, bin ich!“ (Joh 8,58), ist Er nicht etwa anmaßend, wie die Juden meinten, sondern Er verweist auf Seine ewige Existenz als Weisheit/Logos Gottes.

Als Sohn Gottes ist Er also nicht erst bei der Zeugung in Maria entstanden, sondern bereits vor der Schöpfung. Der Ursprung des Herrn ist „im Schoß des Vaters“ (Joh 1,18). Bevor Gott der Vater die Welt erschuf, trat der Sohn aus Ihm hervor und schuf mit Ihm die Welt und uns Menschen. Gemeinsam überlegten sie, wie sie die gefallene Menschheit retten würden, und der Sohn sprach zum Vater: „Opfer und Gaben hast du nicht gewollt; einen Leib aber hast du mir bereitet. An Brandopfern und Sündopfern hast du kein Wohlgefallen. Da sprach ich: Siehe, ich komme – in der Buchrolle steht von mir geschrieben –, um deinen Willen, o Gott, zu tun!“ (Heb 10,5-7)

Der Weg der Rettung bestand nicht nur darin, als Sündopfer ans Kreuz zu gehen (was unbedingt notwendig war), sondern dass der Sohn Gottes als Sohn und Thronerbe Davids geboren werde:

Sohn Gottes und Sohn Davids

Als Bileam das Volk Israel verfluchen sollte, sah er folgendes: „Er schaut kein Unrecht in Jakob, und er sieht kein Unheil in Israel. Der Herr, sein Gott, ist mit ihm, und man jubelt dem König zu in seiner Mitte.“ (4.Mose 23,21). Als der Richter Gideon die Midianiter schlug, wollte das Volk ihn zum König machen, doch Gideon sagte: „Ich will nicht über euch herrschen, mein Sohn soll auch nicht über euch herrschen; der Herr soll über euch herrschen!“ (Ri 8,23). Als das Volk schließlich Samuel bedrängte und einen König forderte, sagte Gott: „Nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, dass ich nicht König über sie sein soll!“ (1.Sam 8,7)

Die Sünde hat den Menschen die Herrlichkeit Gottes genommen, sodass sie nicht mehr über die Erde herrschten, wie sie sollten. Gott erwählte durch Abraham, Isaak und Jakob ein Volk, damit Er in ihrer Mitte König sei, doch das Volk verwarf Ihn. Gott erwählte schließlich einen Mann nach Seinem Herzen, David. Einer Seiner Nachkommen sollte Gottes eigener Sohn sein. Doch bis es soweit kommen sollte, musste das Haus Davids erst zugrunde gehen, Tempel und Stadt zerstört werden. In dieser hoffnungslosen von Fremdherrschaften gekennzeichneten Zeit wurde im Haus Davids der Sohn Gottes geboren – ganz wie die Propheten sagten: „Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns gegeben; und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer, Ratgeber, starker Gott, Ewig-Vater, Friedefürst. Die Mehrung der Herrschaft und der Friede werden kein Ende haben auf dem Thron Davids und über seinem Königreich, dass er es gründe und festige mit Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des Herrn der Heerscharen wird dies tun!“ (Jes 9,5-6)

Diese Erneuerung des Königtums Gottes im Haus Davids (um es ganz genau zu sagen!) soll nun alle Völker umfassen: „Ja, es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des Herrn festgegründet stehen an der Spitze der Berge, und er wird erhaben sein über alle Höhen, und alle Heiden werden zu ihm strömen. Und viele Völker werden hingehen und sagen: »Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des Herrn, zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns belehre über seine Wege und wir auf seinen Pfaden wandeln!« Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen und das Wort des Herrn von Jerusalem. Und er wird Recht sprechen zwischen den Heiden und viele Völker zurechtweisen, so daß sie ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden werden und ihre Speere zu Rebmessern; kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden den Krieg nicht mehr erlernen.“ (Jes 2,2-4) Darum legt auch Jakobus den Propheten Amos richtig aus, als er sagt: „Und damit stimmen die Worte der Propheten überein, wie geschrieben steht: Nach diesem will ich zurückkehren und die zerfallene Hütte Davids wieder aufbauen, und ihre Trümmer will ich wieder bauen und sie wieder aufrichten, damit die Übriggebliebenen der Menschen den Herrn suchen, und alle Heiden, über die mein Name ausgerufen worden ist, spricht der Herr, der all dies tut.“ (Apg 15,15-17)

Es gibt kein Heil, keine Rettung ohne das Königreich Gottes. Gott muss regieren – das ist das Evangelium, wie es heißt: „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der Frieden verkündigt, der gute Botschaft bringt, der das Heil verkündigt, der zu Zion sagt: Dein Gott herrscht als König!“ (Jes 52,7). Darum ist auch das der große Jubel im letzten Buch der Bibel: „Hallelujah! Denn der Herr, Gott, der Allmächtige, hat die Königsherrschaft angetreten! Lasst uns fröhlich sein und jubeln und ihm die Ehre geben!“ (Offb 19,6-7)

Verschont uns mit theologischen Spekulationen und Streitfragen!

Hat man das verstanden, versteht man, worum es Gott eigentlich geht. Er will nicht, dass wir über Wesensgleichheit, Personen, Hypostasen und andere theologische Spitzfindigkeiten streiten und uns übereinander erheben. Lächerlich ist es, wenn wir meinen, Gott in solchen Definitionen beschreiben zu können! Der Sohn Gottes ist Gott, aus Ihm hervorgegangen und um nichts weniger göttlich als meine eigenen Kinder menschlich sind! Er war vor der Schöpfung bei Gott, ist unser Mittler zu Gott, aber vor allem: Er ist der König, durch den Gottes Königsherrschaft wiederhergestellt wird.

Die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist nicht als Denksportaufgabe für unausgelastete Bibelforscher gedacht, sondern notwendig, um die Schöpfung wieder mit Gott zu versöhnen und unter Seine Herrschaft zu bringen, um letztlich alle Dinge wiederherzustellen (Apg 3,21).

Darum musste der Sohn Davids auch der Sohn Gottes sein. Das war die eingangs zitierte Frage, die die Pharisäer nicht verstanden. Wir haben nur ein Ziel und einen Wunsch, und der steht im Einklang mit dem Königspsalm, dem Psalm 2,11-12:

„Dient dem Herrn mit Furcht und frohlockt mit Zittern. Küsst den Sohn, damit er nicht zornig wird und ihr nicht umkommt auf dem Weg; denn wie leicht kann sein Zorn entbrennen! Wohl allen, die sich bergen bei ihm!“

047Br. Alexander

Ein Gedanke zu “Sohn Gottes und Sohn Davids

  1. Sachariy Mark schreibt:

    Schön ausführlich geschrieben. Es stimmt, das ausufernde Diskussionen über etwas, das nicht begriffen werden kann, nicht unbedingt weiterhelfen. Ich habe die letzten Tage solch eine Diskussion gehabt und muss sagen, du hast Recht mit dem Satz: „Er will nicht, dass wir über Wesensgleichheit, Personen, Hypostasen und andere theologische Spitzfindigkeiten streiten und uns übereinander erheben.“

    Gottes Segen!

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